Sonntag, 10. April 2011

Alte Bekannte kämpfen um die Macht










Musikalische Versprechen: "Ich denke an deine Zukunft und deinen Wohlstand".

In Peru ist der wochenlange Wahlkampf vorerst zu Ende gegangen, am heutigen Sonntag sind die Bürger zur Wahl eines neuen Präsidenten und eines neuen Parlaments aufgerufen. Wer beerbt Alan García? Kaum eine Mauer, die nicht mit Logos, Namen und Parolen bemalt ist. Kaum an Haus, an dem kein Wahlplakat hängt.



Mehr Arbeit, bessere Bildung, Fortschritt, allen soll es gut gehen - schöne Versprechungen. Es fällt nur schwer, daran zu glauben, zu oft wurden die Peruaner enttäuscht.

Elf Kandidaten treten an, fünf werden Chancen zugeschrieben, in die Stichwahl einzuziehen. In den letzten Umfragen lagen sie relativ dicht beieinander, es ist also spannend bis zum Schluss.

Am vergangenen Sonntag haben diese Kandidaten in einer TV-Debatte - nun ja - debattiert, mehr oder weniger. Ein nationales Großereignis mit strengen Regeln (direkte persönliche Angriffe waren verboten, die Zeit streng reglementiert.)

Viele Fragen wurden gestellt, vor allem waren die Kandidaten angehalten, sich gegenseitig zu befragen. Antworten gab es aber wenige. (Man hätte sich zwischendurch einen Frank Plasberg gewünscht, der mal kurz per Einspieler ein paar Fakten präsentiert).

Viele Fragen drehten sich um folgenden Punkt: Warum sollte das, was sie früher nicht oder nur schlecht gemacht haben, plötzlich funktionieren? Denn eigentlich sind alle fünf Kandidaten alte Bekannte.

Alejandro Toledo war schon einmal Präsident (2001-2006), Pedro Pablo Kuczynski ("PPK") war schon Minister (zuletzt unter Toledo), Keiko Fujimori ist die Tochter des Ex-Präsidenten Alberto Fujimori (und da sie sagt, alles wie ihr Vater machen zu wollen, kann man sie durchaus auch an den Taten ihres Vaters messen). Luis Castañeda war immerhin Bürgermeister von Lima. Einzig "Comandante" Ollanta Humala hatte kein wichtiges Amt inne, aber er war schon 2006 in der Stichwahl.

Die Einzelkritik:

Gut vorbereitet hat sich Keiko, sie scheint gute Berater zu haben. Nett, bestimmt, freundlich tritt sie auf, stellt aber harte Fragen. Immer wieder verweist sie auf das Werk ihres Vaters, seine Taten, seinen Kampf gegen den Terrorimsus. Aus der externen Sicht überrascht das, immerhin wurde ihr Vater in einem Mordprozess zu einer langen Haftstrafe verurteilt und sitzt im Gefängnis. In Peru hat der Fujimorismo aber immer noch viele Anhänger. Im Wahlkampf tritt Keiko als Law-and-Order-Frau auf (fordert unter anderem die Todesstrafe für Kinderschänder), aber es ist durchaus möglich, dass ihr Vater bald frei kommt, sollte sie Präsidentin werden.

Toledo hat zur Debatte ein paar Grafiken und Schaubilder mitgebracht, die zeigen sollen, was er alles gut gemacht hat während seiner ersten Amtszeit. Die durfte er aber nicht zeigen. Das nächste Mal als Präsident will er alles noch ein bisschen besser machen, das ist sein Wahlkampfmotto. Aber in wirklich freier Rede schafft er es nicht, seine Ideen zu präsentieren. Er wirkt zwischendurch etwas unbeholfen. Aber er hat Erfahrung als Präsident, das finden viele gut. Und er hat zwar lange in den USA gelebt, aber nie einen US-Pass beantragt.

Den hatte nämlich PPK bis vor Kurzem (neben dem peruanischen) und das findet fast keiner gut (einzig Keiko schweigt dazu, schließlich hatte sich ihr Vater zwischenzeitlich mit seinem japanischen Pass in sein Herkunftsland abgesetzt.) Kurz vor den Wahlen hat er ihn nun zurückgegeben, schließlich sei er ja von Geburt und in erster Linie Peruaner. Wenn PPK an die Reihe kam, schob er sich immer wie ein Roboter von unten ins Bild. 72 Jahre ist er alt und das sieht man ihm an. Er ist ein Wirtschaftsmann, ein Unternehmer (und hat offenabr ein bisschen gemauschelt bei der Angabe, wie viele Firmen er eigentlich hat.) Bei den Mitgliedern der Oberschicht kommt der Technokrat gut an.

Luis Castañeda war bis Oktober 2010 Bürgermeister von Lima und wortgewaltig brüstet er sich damit, was er da alles erreicht habe. Zu seinen Werken gehört etwa das neue Schnellbussystem, der Metropolitano. Allerdings hat er es mit der Buchhaltung nicht so genau genommen.

Der Kandidat, der sich wohl am meisten von den anderen unterscheidet und etwas weniger für Kontinuität steht, ist Ollanta Humala. (Wie groß die Unterschiede wirklich sind, ist schwer zu sagen; vieles würde sich wohl erst zeigen, sollte er in den Präsidentenpalast einziehen). Der Ex-Militär ist irgendwie "links", sagt, das Wirtschaftswachstum sei positiv, müsse aber allen zu Gute kommen.

In der TV-Debatte präsentierte er sich mit der schlechtesten Performance. Er las das vor, was er sich vorher aufgeschrieben hatte (oder seine Berater), ganz gleich, welche Frage an ihn gerichtet war. Zwischendurch, als er gerade sprach, ging plötzlich der auf ihn gerichtete Scheinwerfer aus und er stand für eine Weile im Dunkeln. Das passte zu dem, was seine Konkurrenten und viele Medien befürchten, sollte er Perus nächster Präsident werden. Ein Blackout, ein Sturz ins Leere, Peru, Seite an Seite mit Venezuela in den "Sozialismus des 21. Jahrhunderts", Ade Wirtschaftswachstum, ade ausländische Investoren.

Ollanta Humala selbst ist dieses Mal nicht im roten Hemd aufgetreten, er hat sich von Chávez distanziert, er will jetzt eher Brasiliens Lula nacheifern. In seinem Schlussstatement bekannte er sich zu Gewaltenteilung, Pressefreiheit und versicherte, auf keinen Fall die Verfassung so zu verändern, dass eine unbegrenzte Wiederwahl des Präsidenten möglich wird. Einzig glauben ihm viele nicht. In den Umfragen hat er sich nach vorne auf den ersten Platz gekämpft und wird wohl in die zweite Runde einziehen. Dann heißt es: Alle gegen einen.

Lese/Hörtipps zum Thema:
Kampf um die politische Spitze im Land der Inkas (Julio Segador bei Deutschlandradio Kultur)
Präsidentschaftswahl in Peru: Gesucht wird ein Erbe des Alan Garcia (Jürgen Vogt in der taz)
Peru: China, Cholo, Comandante, Gringo – kulturelle Stereotypen im Wahlkampf (Hildegard Willer im taz-Blog latinorama)

Freitag, 8. April 2011

Gold, Silber, Zink in Peru - Segen oder Fluch?

Peru ist reich. Reich an Bodenschätzen wie wenige andere Länder. Aber was haben die Menschen davon? Profitieren sie von den Ressourcen? Oder liegt auf dem Land ein Ressourcenfluch, der Unheil bringt? Eine Spurensuche.


Cerro de Pasco ist eine 80.000-Einwohner-Stadt in den peruanischen Anden, gelegen auf 4300 Metern Höhe. (Damit ist Cerro de Pasco eine der höchsten Städte weltweit, in dieser Größe wahrscheinlich sogar die höchste.) Es ist eine Bergbaustadt, das sieht man sofort. Mitten in der Stadt klafft ein riesiges Loch, ein Tagebaukrater, Silber, Blei, Zink und andere Metalle werden hier abgebaut. Seit Jahrzehnten verleibt sich die Mine immer weitere Teile der Stadt ein. Und sie soll weiter wachsen.


Doña Vilma und Don Felipe wohnen mit ihren Kindern direkt neben der Mine in einem kleinen, dunklen Zimmer. Sie beklagen sich, wie der Staub aus der Mine sie beeinträchtigt. Ihre Kinder haben Blei im Blut, wenn auch (noch) nicht so viel wie andere. Aber gegen die Mine an sich haben sie nichts, das betonen die Beiden mehrfach. Sie wollen aber, dass die Minenfirma ihrer Verantwortung nachkommt und alle in der Stadt mehr von dem Reichtum haben. Trinkwasser, das nicht mit Schwermetallen belastet ist, das wäre ja auch nicht schlecht.


Yanacocha, die größte Goldmine Südamerikas, gelegen oberhalb der Stat Cajamarca. Wie in einem riesigen Sandkasten werden hier ganze Berge umgeschichtet, um aus drei Tonnen ein Gramm Gold zu gewinnen. Hier geht alles sauber und sicher zu, sagt der Betreiber, der sich Öffentlichkeitsarbeit viel kosten lässt. Die Mine ist eine Gefahr für die Umwelt in weitem Umkreis und seit langem eine Bedrohung für den sozialen Frieden, sagen nicht nur die Aktivisten der NGO Grufides.


Das ist der Kleinbauer José Melandrez, der ganz im Norden wohnt, nahe der Grenze zu Ecuador. Er will nicht, dass die Bergbaufirmen kommen und das Land umgraben. Er hat nicht viel, ist aber zufrieden mit seinem Leben. Kann der Kampf von Don José und seinen Mitstreitern Erfolg haben? Und das Paradies, von dem sie reden, wirklich unberührt?


Antonio Brack, Perus Umweltminister, sieht beim Bergbau keine große Umweltproblematik, zumindest nicht bei den großen Bergbaufirmen. Der kleinere, informelle Bergbau macht ihm Sorgen.


Carlos Gálvez hat allen Grund fröhlich zu sein. Er ist Finanzgeschäftsführer von Buenaventura, einer der größten Bergbaufirmen Perus (sie ist auch Minderheitseigner von Yanacocha). Die Rohstoffpreise sind hoch und steigen weiter, es gibt noch genügend Vorräte unter der Erde.

Gleichzeitig werden aber auch die Proteste gegen neue Minenprojekte immer stärker. Wie lange ist der Bergbau in Peru noch ein profitables Geschäft?

Die ganzen Geschichten gibt's zum Anhören und/oder Nachhören hier beim Deutschlandfunk. Und hier in der Berliner Zeitung.