Samstag, 31. Januar 2009

Anderes Arbeiten



Einmal mehr wird mir bewusst, wie sich journalistisches Arbeiten hier von dem in Deutschland unterscheidet. Vorher planen ist schwierig, dafür ist vieles spontan möglich. Recherchiere an der Costa eine Geschichte über Taucher, die im Meer Langusten fangen. Das ist auch eine Geschichte über die Globalisierung. Denn da in den USA kaum mehr Langusten gekauft werden (die Finanzkrise lässt grüßen), fällt hier die Preis. Und die Tauchen bekommen fast nichts mehr für den lebensgefährlichen Job.

Während in Deutschland es bei Anfragen immer heißt "Können Sie das bitte per Mail schicken?", habe ich hier zu hören bekommen. "Wie, Sie wollen eine E-Mail schreiben, ohne vorher im Büro gewesen zu sein?"

Geldwäsche

Jenseits von Bilwi

Schon wieder vorbei die Woche in Bilwi, Puerto Cabezas. Fühlte mich sofort wieder wie zu Hause. Es war schön, wie viele alte Freunde und Bekannte ich getroffen habe. Viele zufällig - man muss nur ein bisschen durch die Stadt laufen. Bilwi ist eigentlich ein großes Dorf, aber eine Weltstadt für hiesige Verhältnisse. Befestigte Straßen, Supermarkt, Fernsehen, Internet.

Für zwei Tage begleite ich die beiden aktuellen Freiwilligen - meine Nachfolger also - nach Dakura, einem Dorf etwas nördlich an der Küste gelegen. Weniger als 30 Kilometer Luftlinie entfernt. Die Hinfahrt dauert fast 12 Stunden. Erst eine Stunde oder so mit dem Bus, dann Warten. Lange Warten. dann mit dem Boot über die Lagune, dann zwei Stunden Laufen. Sumpf, Wasser, Schlamm. Eine weite Ebene, vereinzelt Bäume.

Wenn es ein Ende der Welt gibt, irgendwo hier muss es liegen.

Dakura, das sind ein paar hundert Häuser, die meisten aus Holz und auf Stelzen, ein paar aus Zement. Man sieht überall noch die Schäden, die Hurrikan Felix im September 2007 angerichtet hat. Umgestürzte Bäume, ein paar Häuserruinen. Im Dorf findet gerade ein großes Treffen von Jugendlichen der Iglesia Morava statt. Den ganzen Tag sitzen sie zusammen, singen, hören Vorträgen zu. Da von der Kirche nur noch das Fundament übrig ist, besteht das Dach aus Plastikplanen von "US Aid". Gibt "Rais an Biens" zu essen mit Kokosbrot. Sehr lecker.

Morgens fahren die Männer aufs Meer hinaus, um zu fischen. Und unter ein paar Häusern liegen die Meeresschildkröten auf dem Rücken, die Flossen zusammengebunden und weinen. Sie warten darauf, geschlachtet zu werden.

Baden im Meer, das ist super. Gibt aber auch Dinge, die sind nicht so toll sind hier. Sonnenbrand im Gesicht, die Beine zerstochen. Und heute Nacht haben die Ratten meine Kochbananen halb weggefressen.

Jetzt geht's wieder gen Westen, mit dem Bus nach Muy Muy. Dort versuche ich herauszufinden, wer von den Sozialprogrammen der Regierung profitiert und wer nicht. Hoffe, dass der Bus nicht zu schnell fährt. Denn sonst komm ich mitten in der Nacht dort an.

Montag, 26. Januar 2009

Busfahren, einfach nur Busfahren

Jetzt neu: Die 22 Stunden Busfahrt zusammengefasst in 4.30 Minuten, mit Fotos:



Und hier nur der Ton:









Es ist die längste Busstrecke, die Nicaragua anzubieten hat und ich fahre sie immer wieder gerne. Von der Hauptstadt Managua, fast am Pazifik gelegen bis rüber nach Bilwi, Puerto Cabezas an der Atlantikküste. Knapp 600 Kilometer sind das. Kling nicht nach viel.

Eine Reise, die kaum besser einstimmen könnte auf einen Aufenthalt an der Costa. Schon im Bus wird Mískito gesprochen, die Fahrt hat etwas von einem Familienausflug auf dem Rückweg nach Hause. Los geht's am Mercado Mayoreo im Osten Managuas, es ist Abend, gerade wird es dunkel. Der Bus wartet schon seit Stunden, einer dieser gelben ehemaligen US-Schulbusse. „Rapido y furioso“ sei er, das steht vorne auf der Scheibe. Auf dem Dach stapeln sich die Pappkisten, Säcke und allerlei sonstiges Gepäck. Zwei junge Männer schrauben noch ein bisschen am Motor herum. Wenn man nicht wüsste, dass der Bus nicht das erste Mal die Strecke fährt – man hätte so seine Zweifel, ob er das packen wird.

Ich quetsche meinen großen Rucksack in die Gepäckablage, meine Beine zwischen meinem sitz und dem davor, den kleinen Rucksack darauf und gut. Dann beginnt die Fahrt. Erst auf der geteerten Straße, ganz tranquilo nach Nordosten, mal läuft Musik, erst Reggaeton, dann Ranchero, mal nicht. Später am Abend machen wir kurz Pause, es gibt Reis mit Bohnen, was sonst, dann beginnt bald der Teil der Reise, der sie so lange macht. Ab jetzt ist die Straße – Schotter, Sand, Löcher – schlecht. Vor zwei Jahren hieß es schon, Hugo Chavez würde die Straße teeren – passiert ist bis heute nichts. Zum Glück ist Trockenzeit, denn immer wieder fahren wir durch kleine Flüsse durch. Brücken darüber sind zwar im Bau, aber noch nicht fertig. Der Busfahrer kurbelt am Lenkrad, der Bus schwankt, ruckelt, quietscht, keucht ab und an und kriecht durch die Nacht. Eigentlich unglaublich, dass man dabei schlafen kann. Es gibt zwar durchaus gemütlichere Orte dafür, aber es geht. Irgendwie.

Ab und an – es ist noch nicht richtig morgen – krähen zwei Hähne im Pappkarton. „Kampfhähne“ hat jemand mit Edding darauf geschrieben. Die Viecher werden noch gebraucht, wahrscheinlich dreht ihnen deshalb niemand den Hals um. Im Bus läuft Radio, Werbung für Dünger und Dengue-Prävention. Wir fahren durch kleine Dörfer durch, ein paar Holzhäuser, Hügel, Bäume, Kühe. Ein Kolibri. Ein, zweimal eine kleine Panne. Frühstücksreismitbohnen in La Rosita. Wir fahren weiter. Draußen waschen sie Gold aus dem Berg.

Unterhalte mich mit meiner Sitznachbarin ein bisschen über Politik, Geschichte und überhaupt. Dann wird die Landschaft flacher, wir überqueren mit der Fähre den Río Wawa und sind schon da: Nach gut 22 Stunden kommen wir in Bilwi an. Kleidung und Gepäck sind komplett mit einer gelblichen Staubschicht bedeckt. Mein ganzer Körper irgendwie auch. Aber den kann man ja abwaschen.

Im Fotoalbum rechts gibt's bald - so die Internetverbindung will - einige Bilder von der Fahrt.

Freitag, 23. Januar 2009

London, Houston, Managua

In München hat es noch geschneit am Morgen. Und zwar so viel, dass das Flugzeug erst von Schnee und Eis befreit werden muss. Das dauert. Das Flugzeug kommt eine knappe Stunde zu spät in London an. Ich renne und lerne bei dieser Gelegenheit ein nettes Detail des Heathrow Airport kennen. Die Laufbänder sind nicht so fest und hart wie anderswo, sondern federn bei jedem Schritt. Nützt alles nichts, ich verpasse in London meinen Anschlussflug.

Werde umgebucht, fliege so nicht über Miami, sondern Houston Texas, George Bush International Airport. Einen Tag, nachdem sein Sohn in Rente gegangen ist. Der Grenzbeamte empfängt mich nett. Aus aktuellem Anlass, da Obama jetzt ja Präsident ist: Der Grenzbeamte ist schwarz, sein Name, er steht auf einem Anstecker: White.

Dann kommt Tonka. Tonka ist wein weiß-braun gescheckter Hund. Tonka erschnüffelt einen Apfel in meinem Rucksack, den ich nicht rechtzeitig aufgegessen habe. Der Apfel wird eingezogen und Tonka bekommt nicht nur ein Leckerli, sondern wahrscheinlich auch ein Sternchen ins Bonusheft.

In Houston fängt Nicaragua so ein bisschen an, die Schilder und Durchsagen sind auch auf Spanisch. In Managua ist es Nacht und nicht so heiß wie gedacht, zumindest nachts nicht. Die Luft riecht nach Holzfeuer, Teer und verbranntem Gummi. 25 Stunden unterwegs, fast doppelt so lang nicht im Bett gewesen. Zeit zum Schlafen.

Am Morgen kräht der Hahn, Musik, Autohupen. An den Kreisverkehren der Stadt stehen Leute, die Nicaragua-Flaggen schwenken. Gegen die pralle Sonne ist ein Zeltdach aufgestellt. Sie beten gegen den Hass und für die Liebe, sagen sie. Jeden Tag. Freiwillig. Sagen sie. In Wahrheit, so hört man, werden sie von der Regierung dafür bezahlt. Die Sympathien jedenfalls sind klar verteilt. Klar, wir sind Sandinisten, sagt einer, nur Daniel macht etwas für die Armen. Die Bösen? Das sind die Rechten, die von der PLC, sagt der Mann. Den Tag über führe ich einige interessante Gespräche über aktuelle Politik und EZ. Und abends gibt's endlich den ersten Gallo Pinto.

Dienstag, 20. Januar 2009

Rückkehr, mal wieder

So. Allles eingepackt (hoffentlich). Gleich geht's los.
Wird wahrscheinlich etwas kalt auf dem Weg zum Flughafen. Aber nur deswegen was Warmes zum Anziehen mitzunehmen, lohnt sich nicht wirklich.

Irgendwie komisch: In 24 Stunden bin ich wieder in dem Land, in dem ich vor einiger Zeit für ein Jahr gelebt habe.

Vor zwei Jahren war ich das letzte Mal da. Damals gab es gerade einen neuen Präsidenten. Sonst war alles fast wie früher. Wie es wohl dieses Mal sein wird?